Freitag, 19. Juli 2013
Besser spät, als nie - Donnerstag, 18.07.2013
Heute ist es auf den Tag genau schon einen Monat her das ich aus der Klapse in die Freiheit entlassen wurde. Und heute habe ich es auch endlich mal geschafft, die beiden ersten Einträge in meinem neuen Blog zu schreiben. Aber besser spät als nie und ein guter Zeitpunkt, die letzten 4 Wochen revue passieren zu lassen und mal zu sehen was sich so alles getan hat:

Die ersten Tage nach meiner Entlassung waren mehr als schwierig. Ich habe die ersten sagen wir ca. 10 Tage als meine persönliche Hölle empfunden. Noch in der Klapse haben mein Freund und ich beschlossen, dass ich direkt nach meiner Entlassung zur Probe bei ihm einziehe. In anbetracht der Tatsache, dass ich ihn zu diesem Zeitpunkt erst 3 Monate kannte, bekam ich am Tag der Entlassung dann doch etwas Angst. Aber nicht nur vor dem Projekt Probewohnen. Am morgen meiner Entlassung wurde mir klar, dass es nun kein zurück mehr gibt. Ab jetzt würde ich auf mich allein gestellt sein. Und vor allem würde das Leben was ich bisher geführt habe nicht mehr da sein. Alles ist nun anders. Ich bekam Angst vor dem neuen Unbekannten. Auf dem Weg von der Klapse in mein neues Probezuhause gingen mir tausende Gedanken durch den Kopf. Und die dazu passenden tausend Gefühle bekam ich auch zu spüren. Von Angst, über Freude und Wut bis hin zu Selbstzweifeln und puren Glücksgefühlen waren in der 30 Minütigen Autofahrt wohl alle Gefühle vorhanden die ich in den letzten Wochen kennengelernt und besprochen hatte. Ich fühlte mich als würde ich in eine andere, mir unbekannte Welt fahren. Als ich dann Nachmittags bei meinem Freund ankam war mein Puls auf mindestens 395 und ich fühlte mich wie ein kleines Kind an Weihnachten. Der erste Tag verlief dann auch echt super. Er hatte noch Urlaub und wir freuten uns einfach über meine neue Freiheit und darüber, Zeit miteinander verbringen zu können. Im großen und ganzen war es ein schöner erster Tag in Freiheit und ich freute mich, die Therapie geschafft zu haben und war beim zu Bett gehen mit mir und der Welt im reinen und zufrieden.

Als ich am nächsten morgen aufwachte kippte dieses Gefühl allerdings schlagartig. Alles fühlte sich auf einmal total komisch und unwirklich an. Ich realisierte wohl zum ersten Mal bewusst, dass das Kapitel Klapse nun entgültig vorbei ist (für eine zumindest sehr lange Zeit, hoffe ich, aber in meinem Fall sollte man wohl niemals nie sagen). Ich bekam Panik das ich die Sachen die ich zu erledigen habe nicht schaffe und schneller scheiter als ich scheitern aussprechen kann. In der Vergangenheit ist einfach zu viel schief gelaufen und am schwersten fällt es mir immer noch mir selber zu vertrauen. Doch ich beruhigte mich ziemlich schnell wieder und beschloss es einfach alles auf mich zukommen zu lassen. Und trotzdem, dieses komische Gefühl, mit dem ich aufwachte ging einfach nicht weg. Ich schleppte es die ganze Zeit mit mir rum und konnte es nicht einordnen. Mehrere Tage ging das so. Es ging mir zwar nicht wirklich schlecht , aber alles hatte trotzdem einen komischen Beigeschmack. Das ich meinen Freund plötzlich so oft und lange um mich hatte machte mir auch eher Angst als das es Glücksgefühle in mir auslöste. Da ich zu diesem Zeitpunkt noch krankgeschrieben war und somit nichts zutun hatte, hatte ich einfach zu viel Zeit für zu viele schlechte Gedanken. Und in Folge dessen wusste ich immer weniger mit mir anzufangen und fing innerlich an zu brodeln.

Ich versuchte so gut es ging mich zu beschäftigen, wichtige Dinge die unbedingt zu regeln waren zu regeln und mich von meinen schlechten Gedanken abzulenken. Ich traf mich in der ersten Zeit relativ häufig mit meinem BeWo Betreuer, da es viele Dinge zu regeln gab, die in acht Wochen Klinik liegen geblieben sind. Aber das funktionierte eigentlich ohne große Probleme und nach einer Woche waren die wichtigsten Dinge geregelt. Das ich zum Beispiel wieder arbeiten gehe. Vollzeit, ohne Wiedereingliederung. Zu diesem Zeitpunkt freute ich mich darauf auch noch richtig. Aber das ist eine andere Geschichte.
Auch mit meinem Freund war es die ersten Tage ein einziges auf und ab. Das Gefühl hatte ich zumindest. Da es mir immer noch sehr schwer fällt Dinge anzusprechen, blieb ich mit diesem Gefühl auch erstmal alleine. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir uns erst finden mussten. Vor allem musste ich zuerst einmal meinen Platz in diesem für mich komplett neuen Leben finden. In meinem Leben, in seinem Leben, in unserem Leben. Mir war klar, dass dies nicht von heute auf morgen geht und das ich mich auch nicht innerhalb von 2 Stunden in seiner Wohnung Zuhause und geborgen fühlen werde. In meiner Wohnung, die ich seit Februar habe fühlte ich mich jedoch auch nicht wirklich Zuhause, sodass ich mir nun "Heimatlos" vorkam und das Gefühl hatte, ich wüsste nicht wo ich hingehöre. Auch das hat denke ich mal zu meinen anfänglichen Schwierigkeiten beigetragen. Am Anfang dachte ich wirklich noch, dass ich mich hier niemals wohlfühlen werde und das Probewohnen einfach mal eine total beschissene Idee gewesen ist. Doch irgendwann, ganz plötzlich fing es an besser zu werden. Von ganz alleine.

Nun ist das alles schon 4 Wochen her. Mittlerweile geht es mir wirklich, für meine Verhältnisse, gut. Ich fühle mich sogar richtig wohl in SEINER Wohnung. So sehr, das ich in meine eigene gar nicht mehr möchte und mich dort auch bei kurzen Besuchen nicht mehr wohlfühle. Auch wenn ich das niemals geglaubt hätte und große Zweifel hatte. Überhaupt versuche mich immer mehr zu öffnen und auf neue Dinge einzulassen. Auch wenn mir das meistens noch sehr schwer fällt und ich oft über meinen Schatten springen und den Teufel in mir besiegen muss. Doch ich merke, je offener ich werde, desto besser funktioniert alles. Vor allem habe ich diesen Eindruck bei meinem Freund. Auch wenn wir uns manchmal wegen Kleinigkeiten zoffen (meistens meine Schuld, sorry nochmal an dieser Stelle) denke ich, das wir immer mehr zueinander finden. Ich vertraue ihm immer mehr und kann ihn mittlerweile viel näher an mich heranlassen. Ich kann mich immer öfter und einfacher fallen lassen. Und ich würde sagen ich bin glücklich. Glücklich, so wirklich glücklich. Zumindest was ihn bzw. uns betrifft. Ich weiß nicht wann und ob überhaupt, es jemals in meinem Leben so war.

Fazit: Jeder Tag ist weiterhin ein harter Kampf. Viele Dinge fallen mir immer noch extrem schwer und ich muss mir oft selber in den Arsch treten damit ich alles erledige, was ich erledigen muss. Die ersten Tage waren die schwersten bis jetzt. Doch dann wurde es von Tag zu Tag besser und vor allem werde ich jeden Tag entspannter. Und mittlerweile sehe ich sogar meine eigenen Fortschritte. Auch wenn es nur kleine Fortschritte sind, für mich zählt nur das es vorwärts geht. Ich denke trotz meiner anfänglichen Startschwierigkeiten habe ich mittlerweile gut ins Leben zurückgefunden. Und ich bin davon überzeugt das ich meinen Weg weiterhin so gehen werde. Auch wenn es zwischendurch immer mal wieder Rückschläge geben wird und es noch Jahre dauern kann bis ich am Ziel angekommen bin, ich weiß das ich auf dem richtigen Weg bin. Egal wie verdammt anstrengend es auch ist, ich weiß das es sich lohnt zu kämpfen und es jeden Tag ein wenig einfacher für mich wird, mich mit dem Leben positiv auseinander zu setzen. Ich weiß einfach, dass ich mit genug Training jeden Tag aufs Neue, in dem was ich mache und vor allem in dem was ich bin, ein bisschen besser werde...

Aber nobody is perfect und Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut wurden (würde Oma jetzt sagen)!

Da der erste Entlassstress nun vorbei ist und ich nun wieder etwas mehr Zeit habe, wird es ab jetzt häufiger einen Eintrag hier geben.

Anne